Nudging ist ein Begriff der Verhaltensökonomie und bedeutet so etwas wie jemand „sanft anstupsen die bessere Wahl zu treffen“. Geprägt wurde es von dem Ökonomen R.H. Thaler und Professor C. Sunstein, die 2008 erstmals über Nudging sprachen und ein Buch zu dem Thema veröffentlichten.
Nudges begegnen uns oft im Alltag, viele unbewusst. Der lachende Smiley in der 30er Zone, wenn die Geschwindigkeitsbegrenzung eingehalten wird, motivierende Sprüche auf Stufen oder der bunte Obstkorb neben dem Süßigkeitenregal. All diese Dinge sind dazu da, unser Leben durch einfache Veränderungen der Umgebung besser zu gestalten, damit wir ohne viel nachzudenken, die bessere Wahl für uns selbst und/oder die Gesellschaft treffen. (1)
Psychologisch lässt es sich dadurch erklären, dass der Mensch in zwei Systemen denkt. Das automatische System denkt schnell. Demnach handeln wir nach unserem Instinkt, ohne viel darüber nachzudenken. Doch das reflexive System ist bewusster und selbstbewusster. Wir nutzen es zum Beispiel bei Fragen wie: „Was ist 3+8?“ Oder beim Planen einer Reise oder unserer Zukunft. Nudging setzt an unserem eigenen System an. Durch Anreize und Veränderungen für eine moderne Entscheidungsarchitektur handeln wir instinktiv und spontan. Der Mensch ist faul, sodass wir in den meisten Fällen die einfachere Wahl bevorzugen. Deswegen darf man erstens niemals die Macht der Trägheit unterschätzen und zweitens kann man sich diese Kraft ganz leicht zu Nutzen machen. (3 S.8,30-32)
Nudging basiert laut Thaler und Sunstein auf drei Grundsätzen:
- Die freie Wahl muss erhalten bleiben.
- Der Nudge muss leicht zu umgehen sein.
- Die Gestaltung der Umgebung und der daraus resultierende Nudge muss ethisch vertretbar sein.
Im ersten Moment könnte man meinen Nudging ist eine Art Manipulation. Durchaus gibt es Maßnahmen, die im ersten Moment wie ein Nudge aussehen, allerdings nicht mit den Grundsätzen übereinstimmen. Dazu gehören zum Beispiel das bloße Weglassen oder Preiserhöhungen von ungesunden Gerichten. (1)
Nudging soll es den Menschen einfacher machen, die bessere Wahl zu treffen und sie nicht in ihrem Leben einschränken, Optionen verbieten oder wirtschaftliche Anreize verändern. (3 S.5-7)
Was hat Nudging mit Veganismus zu tun?
Erst einmal nichts – aber wenn man Nudging gezielt einsetzt, kann es dazu beitragen, Veganismus weiter zu verbreiten und die Menschen dafür zu sensibilisieren. Der positive Nebeneffekt ist, dass sich eine pflanzenbasierte Ernährung auch vorteilhaft auf die Gesundheit auswirkt. Demnach ist es eine win-win Situation und mögliche Maßnahmen würden in jedem Fall dem Wohle aller dienen.
Ein paar Ideen könnten zum Beispiel sein (bezogen auf eine Kantine/Cafeteria):
- Gemüse als Standardoption
- Aufsteller und Schilder die Vorteile einer veganen Ernährung aufklären
- Detaillierte Beschreibungen der Speisen
- Attraktive Bezeichnungen der veganen Speisen
- Vegane Speisen am Anfang eines Buffets und in bunten Schüsseln servieren
- Grüne Laufwege, die zu veganen Speisen führen
- Vegane Gerichte optisch attraktiv anrichten und leicht zugängig machen
- Gerichte loben und als Beispielteller ansprechend präsentieren
- Labels und Zertifikate stärken das Vertrauen der Kund*innen (auch schnell von uns zertifizieren lassen 😉 )
Wie könnte Nudging Menschen allgemein in Sachen Ernährung helfen?
Nudging ist ein wichtiger Interventionsansatz, um das persönliche Ernährungsverhalten zu verbessern. Übergewicht, Adipositas und weitere ernährungsmitbedingte Erkrankungen nehmen zu. Deshalb ist es wichtig und notwendig zu handeln. In vielen Studien wurde gezeigt, dass verschiedene Nudges zu positiven Veränderungen des Ernährungsverhaltens führen können. Im Endeffekt handelt es sich in der Regel um sehr kostengünstige und leicht umzusetzende Maßnahmen. Selbst, wenn nur ein Bruchteil der Menschen davon profitiert, so ist es trotzdem ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Fehlernährung und für dies genudgte Personen, die daraus eine positive Veränderung ihrer Ernährungs- und Lebensstil erleben dürfen.
Wenn wir also verschiedene Anstöße und Anreize gezielt und richtig einsetzen, können so sehr einfach und effektiv die Ernährungsverhalten von Menschen verbessert werden und ein Lösungsansatz darstellen. (3)
Mögliche Einsatzbereiche müssen hierbei nicht nur Kantinen und oder Cafeterien sein. Allerdings erreicht man in diesem Setting eine große Anzahl an Menschen, was ein großer Vorteil ist.
Eine Studie von 2016 untersuchte, wie sich durch gezielte Nudging-Maßnahmen verschiedene gesundheitlich förderliche Essgewohnheiten in einer Schul- und Hochschulmensa. Hier seht ihr die angewandten Nudges, um den Anteil der veganen und vegetarischen Hauptkomponenten zu steigern(1):
| Hochschulmensa | Schulmensa |
Ziel: Steigerung der veganen und vegetarischen Hauptgerichte |
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Bei den Student*innen der Hochschulmensa konnte nach einem Interventionszeitraum von 4 Wochen eine Steigerung der veganen und vegetarischen Hauptgerichte festgestellt werden. Langfristig gesehen handelt es sich um einen Zuwachs von +10,1%, mittelfristig +9,4% und kurzfristig +6,4%. Das bedeutet, dass Nudging Maßnahmen funktionieren und auch bei Ernährungsumstellungen eine Lösung darstellen. (1)
Geht mal in euch, wo sind euch einmal Nudges im Alltag begegnet und ihr habt es nicht bekommen? Wahrscheinlich öfter als ihr denkt! 😉
Quellen
- Winkler G, Berger B, Filipiak-Pittroff B, Hartmann A, Streber A (2018)Kleine Veränderungen in der Wahlarchitektur in Selbstbedienungsrestaurants. Stupsen sie die Verbraucher zu gesünderen Nahrungsmitteln an? Ernährungsumschau 65(10): 170–178
- Gesund essen und trinken anstupsen – Chancen des Nudging in der Gemeinschaftsverpflegung Gertrud Winkler, Albstadt-Sigmaringen 2016, Ernährungsumschau 162-167, Ausgabe 3
- Nudge: Bessere Entscheidungen über Gesundheit, Wohlstand und Glück / Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein. 2008